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„Die Semantifizierung der Organisation wird immer wichtiger“

Christian Dirschl, Chief Content Architect, Geschäftsbereich Legal, Wolters Kluwer Deutschland GmbH

Ihre Key Note auf dem CrossMediaForum haben Sie unter das Motto gestellt:  „Die Semantifizierung der Organisation: Warum wir endlich wissen müssen, wer wir sind“. Daher zunächst die Frage: Was meinen Sie mit „Semantifizierung der Organisation“?

Die „Semantifizierung der Organisation“ ist ein Phänomen, das wir derzeit in vielen großen Organisationen wahrnehmen, und zwar über alle Branchen hinweg. Überall da, wo ernsthaft daran gearbeitet wird, in eine echte Datenökonomie einzutreten, findet dieser Veränderungsprozess statt. Im Grunde geht es darum, dass Informationen, Content und Daten nicht mehr nur als „Material“ gesehen werden, das ich meinen Kunden verkaufe, sondern dass sie zur DNA meines eigenen Selbstverständnisses werden. Gleichzeitig wird auch den Beziehungen der Daten untereinander, der Semantik, noch mehr Bedeutung gegeben.

Wie sollte ein Verlag diese Semantifizierung angehen?

Bei Wolters Kluwer ist dieser Veränderungsprozess seit Langem sichtbar und wurde in den vergangenen Jahren auch in seiner vollen Tragweite erfasst. Es beginnt mit der Semantifizierung der Fachinhalte. Die Digitalisierung erfordert maschinenlesbare Informationen. Somit ist die Inhaltserschließung die Grundlage von allem. Darauf aufbauend erfolgt dann die Semantifizierung der Prozesse und Produkte. Dies führt dazu, dass man Wissensstrukturen erstellen muss, z.B. Informationen darüber, wie genau ein Gerichtsverfahren über mehrere Instanzen hinweg abläuft. Mit dem Aufkommen von KI ergab sich dann die Notwendigkeit, dass sich so gut wie alle Teile der Organisation mit den Inhalten, auf die wir unser Geschäft aufbauen, auseinandersetzen müssen. Und zwar auf eine integrierte Art und Weise, weg vom Silodenken eines klassischen Verlages. Wolters Kluwer ist heute ein Technologieunternehmen, kein klassischer Verlag mehr.

Welche Konsequenzen ergeben sich darauf für bestehende Strukturen und Arbeitsweisen?

Naja, die Veränderungen sind schon grundlegend. Da braucht man nicht drum herumreden. Die Prozesse sind viel mehr technik- und kundengetrieben als früher und die Strukturen sind viel durchlässiger. Eine Veränderung oder Verzögerung an einer Stelle, wirkt sich recht schnell in anderen Teilen der Organisation aus. All dies erfordert eine stetige Weiterentwicklung der Organisation und der Kolleg:innen. Und daraus ergeben sich wiederum permanent viele neue Chancen der Karriereentwicklung.

 

Wie wird dieser Veränderungsprozess bei Wolters Kluwer gemanagt?

Letztendlich trägt jeder einzelne dazu bei und das Unternehmen muss entsprechende Strukturen schaffen. Das geht von umfangreichen Fortbildungs- und Mitarbeiterentwicklungsangeboten über strukturierte und dedizierte Karrierepfade über alle Unternehmensteile hinweg bis hin zu neuen Formen der Zusammenarbeit. Agile Methoden werden nicht nur in der Softwareentwicklung, sondern auch in der Neuproduktentwicklung und darüber hinaus genutzt. Prozesse werden harmonisiert und sogar externe Partner und Dienstleister werden mit auf die Reise genommen. Ich selbst arbeite derzeit beispielsweise an einem gemeinsamen weltweiten Contentstandard für unsere gesamte Division Legal & Regulatory.

 

Der zweite Teil Ihres Vortragstitel fordert von Verlagen, „endlich wissen zu müssen, wer wir sind“. Wissen Verlage das nicht? Und wer sollten sie sein?

Die Frage hat natürlich fast einen philosophischen Touch. Aber ich glaube in der Tat, dass Fachverlage oder auch Verlage allgemein nicht wirklich wissen, wer sie sind und welche Rolle sie jetzt und in Zukunft spielen werden. Wir bezeichnen uns ja oft als Informationsdienstleister, aber selbst das ist aus meiner Sicht nicht weitreichend genug. Wir sind Wissensträger und müssen in einer Informationsgesellschaft eine Vorreiterrolle einnehmen und den gesellschaftlichen Veränderungsprozess aktiv mitgestalten. Und diese Verantwortung sehe ich bei jedem Anbieter in seinem jeweiligen Fachgebiet.

 

Wenn Sie die Fachverlagslandschaft in der DACH-Region anschauen: Wo stehen diese auf der Veränderungs- und Selbsterkenntnisskala?

Ich würde hier DACH nicht spezifisch anders sehen als viele andere Teile in Europa. Die Unterschiede liegen eher in Unternehmensgrößen. Die ganz großen Player wie wir sind hier sicherlich am weitesten und wir haben auch die nötigen Ressourcen, um diesen Prozess zu steuern und zu finanzieren. Traditionelle Verlage tun sich da naturgemäß viel schwerer. Aber die gute Nachricht ist, dass sie nichts selber zu erfinden brauchen. Es ist alles schon mal gemacht worden und die Expertise kann man sich ins Haus holen. Menschen wie ich bieten Schulungen und Beratung an, um erste Schritte gemeinsam zu gehen.

Zusammenfassend gefragt: Was wird die Kernbotschaft Ihres Vortrages sein?

Wir sind mitten in der zweiten Welle der Digitalisierung hin zu einer Informationsgesellschaft. Gerade Fachverlage müssen daran aktiv teilnehmen, um zukunftsfähig zu bleiben.

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